Schadensersatz nach Amoklauf

§ 823 Abs. 1 BGB; § 823 Abs. 2 BGB; § 826 BGB; BGH, Urteil vom 17.04.2018 – VI ZR 237/17 = NJW 2018, 3250

von Patricia Meinking , veröffentlicht am: 29.09.20212H | Leicht
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Sachverhalt

Sachverhalt (gekürzt):
Beklagter B beging am 18. Februar 2010 einen Amoklauf in einer Berufsbildenden Schule. B war ein ehemaliger Schüler und wollte seinen Lehrer L und den Schulleiter S töten. Er begab sich daher mit einem Messer, einer geladenen Schreckschusspistole und mehreren bengalischen Feuern während der Unterrichtszeit auf das Schulgelände. Sein Plan war es, den Feueralarm mittels der Feuerwerkskörper auszulösen, um für Chaos zu sorgen und dann weitere Menschen töten zu können.

Als er das Gebäude betrat, traf er auf L und tötete diesen durch fünf Messerstiche. Nachdem er den Feueralarm auslöste, begegnete er im Treppenhaus drei weiteren Lehrern und bedrohte diese mit der Schreckschusspistole. Einen Lehrer, der ihn zum Aufgeben bewegen wollte, schlug er nieder. Anschließend gab B mehrere Schüsse ab, darunter einen, der S traf.

Schließlich gelang es einem Lehrer, die Polizei zu verständigen. Zu den zum Tatort beorderten Polizeibeamten gehörte K. Zusammen mit drei weiteren Beamten stellte dieser den B unter Vorhalt der Dienstwaffe, der daraufhin widerstandslos aufgab.

Infolge des Geschehens und der damit verbundenen schweren psychischen Belastung erlitt K eine Anpassungsstörung, die einer medizinischen Behandlung bedurfte und zu seiner Dienstunfähigkeit führte.

K verlangt Schadensersatz von B. Welche deliktischen Ansprüche hat K?

Bearbeitervermerk: Gehen Sie davon aus, dass der Dienstherr des K zu einer Fortzahlung der Dienstbezüge während der Dienstunfähigkeit nicht verpflichtet ist.

Einordnung:
Der BGH beschäftigt sich in dieser Entscheidung mit der psychischen Gesundheitsverletzung eines Polizeibeamten aufgrund eines Einsatzes im Zusammenhang mit einem Amoklauf. Gegenstand der Entscheidung ist ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB. Fraglich ist dabei, ob die psychische Erkrankung des Beamten als Gesundheitsverletzung i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB gilt, und ob sie in das allgemeine Berufsrisiko des Berufsträgers fällt oder dem Täter zugerechnet werden kann. Dazu werden in Literatur und Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen vertreten, die es für die Klausur oder Hausarbeit zu kennen lohnt.
Die vorliegende Entscheidung des BGH ist kaum als Grundsatz- oder Leitentscheidung zu einzuordnen, zu wenig verallgemeinerungsfähig, zu einzelfallbezogen erscheinen die angestellten Erwägungen. Grundsätzlich haben Polizei und Feuerwehr bei ihren Einsätzen damit zu rechnen, schwere Unfälle ansehen und verarbeiten zu müssen, eine generelle Verursachungszurechnung bei daraus folgenden Belastungsstörungen soll es deswegen nicht geben. Lediglich in extremen Fällen – wie zum Beispiel bei vorsätzlich begangenen, schweren Gewaltverbrechen – kann eine Ausnahme gemacht werden. 

Orientierungsätze:
Traumatisch bedingte psychische Störungen von Krankheitswert stellen eine Gesundheitsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB dar, welche dem Schädiger grundsätzlich zurechenbar ist. Erleidet ein Polizeibeamter eine psychische Gesundheitsverletzung aufgrund der unmittelbaren Beteiligung an einem durch einen Amoklauf ausgelösten Einsatz, so ist diese dem Amokläufer trotz Verwirklichung des allgemeinen Berufsrisikos eines Polizeibeamten zuzurechnen. 

Musterlösung

A. Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB
K könnte einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 Abs. 1 BGB gegen B haben. Hierzu bedarf es einer kausal, rechtswidrig und schuldhaft herbeigeführten Rechts- oder Rechtsgutsverletzung durch B.

 

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